Pädagogik / Grundgedanken

Das Bild vom Kind

Das Kind kommt als „kompetenter Säugling“ auf die Welt und gestaltet von Beginn an aktiv seine Entwicklung und Bildung mit. Kinder lernen von sich aus und sind darauf angelegt, selbstbestimmt und selbsttätig zu agieren. Ihr natürlicher Entdecker- und Forscherdrang wird von vielen Fragen, Einfällen und Ideen begleitet, mit denen sich die Kinder aktiv die Welt und all ihre Vorgänge erschließen. Dabei ist jedes Kind vollkommen einzigartig und gleicht in seiner Persönlichkeit keinem anderen Kind. Jedem Kind kommt dabei das Recht auf eine bestmögliche Bildung und die Chance zu, die eigene Persönlichkeit sowie körperliche/geistige Fähigkeiten und Begabungen zu entfalten.

Dieses Bild vom Kind, wie es im Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan beschrieben wird, umfasst alle für uns wichtigen Aspekte. Kinder wissen was sie benötigen, schaffen selbst Lernräume und zeigen ganz natürlich eine Motivation zum Lernen und Entwickeln. Im Waldkindergarten haben die Kinder die Möglichkeit, die dafür benötigten Freiräume zu nutzen. Durch die vielfältigen Spielmöglichkeiten mit überwiegend natürlichen Materialien, die großen Bewegungsräume, dem gezielten Freispiel und dem Ansprechen aller Sinne kann jedes Kind in seinem Tempo und abhängig von den aktuellen Bedürfnissen lernen und erleben. Dieses bedürfnisorientierte Lernen soll durch die geplanten Projekte zusätzlich ergänzt werden. Die Projekte können durch gezielte Beobachtung des Freispiels abgeleitet und initiiert werden.

Wir möchten den Kindern die Möglichkeiten bieten, die Natur, den Wald und alles was dazugehört zu erkunden. Den Kindern soll der Freiraum ermöglicht werden, selbstständig ihre Umwelt zu erkunden und sich auszutesten. Dies entspricht der Annahme des „kompetenten Säuglings“.

 

Pädagogischer Grundgedanke

Wir sind der festen Überzeugung, dass Kinder am besten lernen, wenn sie selbst handeln können. Wir wollen in der Natur einen Raum schaffen, in dem die Kinder selbstständig lernen und sich ausprobieren können. Die Erwachsenen fungieren dabei als Modelle und Anleiter.

Jedes Kind ist von Natur aus in der Lage zu lernen und sich zu verändern. Wir nehmen Kinder als neugierige Entdecker wahr, die eigenmotiviert die Welt erkunden und Neues entdecken möchten. Durch selbstverantwortliches Lernen wird das Kind in seinem Entwicklungsprozess unterstützt und gefördert. Die nachhaltigsten Effekte und tiefsten Verankerungen dieser Lernerfahrungen erfolgen, wenn das Kind sich diese durch Handeln aneignet Außerdem ist es von Bedeutung, dass das Lernen das Kind sowohl auf intellektueller als auch emotionaler Ebene ergreift. Von besonderer Wichtigkeit erscheint uns deshalb das Freispiel: Die Kinder sollen in unserem Naturkindergarten die Möglichkeit erhalten, frei zu entscheiden, womit sie sich beschäftigen und welche Materialien sie nutzen. Sie sollen Ideen und Lösungen selbst testen können, wofür der Pädagoge die notwendige Basis schafft. Wir glauben, dass eine wertschätzende, empathische und kongruente Haltung ein selbstverantwortliches und tiefgreifendes Lernen ermöglichen. Nur wer die Welt aus den Augen der Kinder sehen kann, kann entsprechende Lernprozesse initiieren, die den kindlichen Bedürfnissen und Wahrnehmungen entsprechen. Ein Kind das Stöckchen sortiert, tut dies vielleicht nicht aus Interesse an Zahlen, sondern, weil es sich für die Beschaffenheit der einzelnen Stöckchen interessiert und herausfinden möchte, welche davon für sein Bauwerk am ehesten geeignet sind. Die Pädagogen schaffen für das Handeln der Kinder den passenden Rahmen und fungieren selbst als Modell. Kinder, die miterleben wie Erwachsene umsichtig, rücksichtsvoll und wertschätzend in der Natur und im Miteinander agieren, schauen sich solche Verhaltensweisen ab: „Wir brauchen unsere Kinder nicht erziehen, sie machen uns sowieso alles nach.“ (Karl Valentin).

 

Bildungs- und Erziehungsbereiche

Wertorientierung und Religiosität/ Religiöse und ethische Werte

Kinder stehen der Welt offen und unvoreingenommen gegenüber. So stellen sie auch die zentralen Fragen des Lebens, über den Anfang und das Ende, Leben und Tod und den Sinn des Lebens. Dabei ist es notwendig ihnen Erfahrungen, Ausdrucksformen und Deutungsmöglichkeiten in einem vertrauten Rahmen anzubieten. Im Kindergarten kommen sie mit unterschiedlichen Wertsystemen und Religionen in Kontakt und sollen Wertschätzung und Offenheit entwickeln.

Im Waldkindergarten entsteht eine tiefe Verbundenheit zur Natur. In der Natur findet man viele Sinnbilder für die entscheidenden Fragen des Lebens: Der junge Sprössling, der mit der Zeit zum großen starken Baum heranwächst, im Herbst seine Blätter verliert und im Frühling neu erblüht. In der Natur gewinnen die Dankbarkeit und eigene Wünsche eine neue Bedeutung: Der Wunsch nach einem kühlen Plätzchen im heißen Sommer und die Dankbarkeit für die Erdbeerfrüchtchen am Boden, die lange Zeit zum Wachsen gebraucht haben. Die Kinder lernen die Natur und ihre Gaben wertzuschätzen. Gleichzeitig lernen sie, Verantwortung für sich aber auch ihre Umwelt zu übernehmen. Wer hautnah miterlebt, wie sich der Wald verändert und wie Menschen Einfluss darauf nehmen, kann auch besser abschätzen, was das menschliche Handeln bewirkt.

In der Natur ist die Gemeinschaft besonders wichtig. Man muss Rücksicht nehmen auf die Kinder, die noch nicht ganz so fit sind und öfter Pausen brauchen, man hilft einander, wenn man etwas baut oder ein Spiel spielen möchte. So eigenen sich die Kinder grundlegende soziale Kompetenzen wie Mitgefühl, Empathie und Hilfsbereitschaft an. Aus unserer Sicht, lernen die Kinder, was wirklich wichtig ist im Leben. Sie werden die Erfahrung machen, dass man wenig braucht, um ausgelassen und kreativ spielen zu können, womit man dem Konsumdenken entgegenwirken kann. Unterstützt wird dies durch die wenigen vorgefertigten Spielsachen.

 

Emotionalität, Soziale Beziehung und Konfliktlösung

Für die Integration in die Gesellschaft ist es notwendig, dass Kinder soziale und emotionale Kompetenzen erlernen. Dies kann nur im Miteinander mit anderen geschehen. Basis für den Erwerb dieser Fähigkeiten stellt eine tragfähige und positive Beziehung zu den Bezugspersonen, hier den Erziehern des Waldkindergartens, dar. Aufbauend auf dem Verständnis von Lernen soll dies im Waldkindergarten durch die Verinnerlichung und das Ausleben der Basisvariablen von Carl Rogers (Empathie, Kongruenz, Wertschätzung) sichergestellt werden. Dadurch entsteht ein Rahmen, in dem die Kinder offen, selbstständig und sicher Kontakt zu anderen knüpfen können. Im Waldkindergarten, in dem die Freiheiten und Möglichkeiten der Interakation vielfältig und frei sind, gewinnt die verlässliche Basis im Sinne der sozialen Rückversicherung zusätzlich an Bedeutung.

Die Kontaktaufnahme und -gestaltung erfolgt im Waldkindergarten besonders niederschwellig. Die Natur steht dabei im Zentrum und bietet vielfältige Möglichkeiten. Beim Erkunden, Entdecken und Spielen auf den Waldplätzen kommen die Kinder ganz natürlich miteinander in Kontakt. Sie können frei Ideen entwickeln und gemeinsam Ziele erarbeiten. Vieles ist nur in der Kooperation möglich, wie z.B. der Bau eines Unterschlupfes, bei dem mehrere Hände benötigt werden, um ihn aufzustellen. Zwangsläufig kommt es bei der Zusammenarbeit zu unterschiedlichen Ansichten und Konflikten. In der Natur gibt es häufig mehrere Wege, um an ein Ziel zu kommen. Man lernt aber auch schnell, was nicht funktioniert und muss neue Lösungen finden. So dient das Erleben in der Natur als Modell für Konflikte unter den Kindern. Der Unterschlupf lässt sich nur errichten, wenn alle mit anpacken, man muss sich gegebenenfalls Unterstützung suchen oder doch eine komplett neue Herangehensweise entwickeln. Dadurch lernen die Kinder, sich aufeinander zu verlassen: Wenn ich loslasse, weiß ich, dass der andere die Äste für den Bau weiterhin festhält. Gleichwohl werden Kinder an ihre Grenzen kommen und müssen lernen, sich zu behaupten, eigene Wünsche, Meinungen und Bedürfnisse zu vertreten und sich gegen wahrgenommene Ungerechtigkeit wehren. Gleichzeitig ergibt sich damit die Chance, zu lernen, Rücksicht aufeinander zu nehmen. Das Kind, das gerade lieber alleine im Moos sitzt und den Ameisen beim Wandern zuschaut, weil es gerade eher Ruhe braucht und nicht beim Bauen helfen möchte, kann dies tun.

Emotionen sowie deren Deutung und Ausdruck können im Waldkindergarten mit Hilfe der Natur kindgerecht vermittelt werden. Das Wetter als Sinnbild für das emotionale Befinden stellt dabei ein nachvollziehbares Bild dar. Wind, Regen, Sturm, Sonne und Hitze sind fester Bestandteil: all das braucht die Erde, um leben und wachsen zu können. Den Kindern kann so verständlich gemacht werden, dass Traurigkeit, Wut oder Enttäuschung zum Leben gehören und am nächsten Tag wieder die Sonne scheint. Mit Hilfe dieser Symbolik fällt es Kindern eventuell auch leichter, ihre eigene Gefühlslage zu benennen und für andere sichtbar zu machen.

 

Sprache und Literacy/ Sprachentwicklung

Zunächst bietet der Weg zu den Waldplätzen Raum für die Erzählungen der Kinder, sie können Themen besprechen, die sie gerade interessieren. Im Laufen geschieht dies unbefangen und erleichtert für viele Kinder das Sprechen, man muss nicht so sehr auf den anderen achten, sondern kann sich rein auf das Sprechen konzentrieren.

Die besonderen Spielsituationen im Waldkindergarten bieten zudem spezielle Anreize für die Sprachentwicklung. Durch die spielzeugfreie Umgebung nutzen die Kinder die unterschiedlichsten Dinge für ihr Spiel. Außenstehende begreifen nicht sofort, um was es genau geht. Deshalb sind andere Kinder und Erwachsene darauf angewiesen, vom spielenden Kind sprachlich begleitet zu werden. Das Kind lernt zu erklären, was es gerade tut und warum es dies gerade tut. Zudem bietet der Wald vielfältige Beobachtungsmöglichkeiten. Wollen die Kinder ihre Beobachtungen mit anderen teilen, so erfolgt dies über die Sprache. Dabei werden sie unweigerlich bemerken, dass andere Kinder oder Erwachsene ihre Beobachtungen anderes beschreiben und erweitern so stetig ihren Wortschatz und ihr Abstraktionsvermögen.

In den Gruppenrunden und beim Aufenthalt im Wald lernen die Kinder aktiv zuzuhören und erfahren, wie wichtig es ist, beim Zuhören still zu sein. Versuchen die Kinder dem Vogel im Wald zu lauschen, klappt dies nicht so gut, wenn alle anderen quatschen.

Der Wald bietet auch einen Platz für Bücher, Märchen, Reime oder Gedichte. Im flauschigen Moos erzählte Märchen entfalten eine andere Wirkung auf die Kinder.

 

Ästhetik, Kunst und Kultur

Sinneserfahrungen wirken zeitlebens auf die Kinder ein und dienen ihnen zur Erkundung der Umwelt. Der heutige Alltag ist durchzogen von künstlichen Sinneserfahrungen, Fernsehen, Parfüm, synthetischen Materialien etc.. In der Natur können die Kinder noch echte, anhaltende und intensive ästhetische Erfahrungen sammeln. Sie bietet eine Vielfalt an Formen, Gerüchen, Räumen und Materialien unterschiedlichster Art, welche zum Experimentieren einladen. Durch die fehlende Zweckgebundenheit sind die Kinder in ihrer Kreativität kaum eingeschränkt, der Ast kann eine Fahne sein, ein Stift oder auch ein Gehstock. Den Materialien wohnt eine natürliche Ästhetik inne, die die Kinder zu Rollenspielen, Fantasiegeschichten und freiem Spiel einlädt. Gleichzeitig lernen die Kinder die unterschiedlichen Beschaffenheiten der Materialien kennen. Kinder erkennen die der Natur innewohnende Schönheit, aber auch die eventuell unschönen Seiten, die je nach Blickwinkel auch Wechseln können. Der alte abgestorbene Baum, der braun und eingefallen auf dem Waldplatz steht, passt vielleicht zunächst nicht in die grüne Landschaft; schaut man näher hin entdeckt man vielleicht ein Vogelnest mit kleinen Vögelchen darin. Die Kinder lernen unterschiedliche Möglichkeiten kennen, ihre Umgebung zu gestalten. Sie nutzen dazu verschiedene Werkzeuge und erweitern so ihr Repertoire an Gestaltungsmöglichkeiten.

 

 Musik

Töne, Klänge und Geräusche faszinieren Kinder ab ihrer Geburt. Sie haben große Freude daran, akustischen Signalen aus ihrer Umwelt zu lauschen. Musik wirkt sich auf das Wohlbefinden aus und kann dafür sorgen, dass wir uns beruhigen oder auch wacher werden. Sie kann zudem als Mittel dienen, Gefühle und Gedanken zu äußern.

Im gemeinsamen Morgen- und Abschiedskreis singen die Kinder täglich miteinander. Das stärkt den Gemeinschaftssinn und das Verantwortungsbewusstsein jedes einzelnen Kindes. Jedes Kind leistet seinen eigenen Beitrag, dass die Lieder gut klingen. Zudem werden je nach Jahreszeit und Projekt weitere Lieder in den Tagesablauf intergiert. Feste und Jahreszeiten werden so für die Kinder mithilfe von Liedern greifbar und erhalten eine gewisse Struktur.

In der Freispielzeit haben die Kinder die Möglichkeit, die Klänge der unterschiedlichen Naturmaterialien zu erkunden: Wie klingt es, wenn ein Stein ins Moss fällt oder auf den erdigen Boden? Im Wald bietet die Natur überdies vielfältige Klänge. Das bedächtige Rauschen der Bäume, das Zwitschern der Vögel oder das Plätschern des Baches. Spielerisch lernen die Kinder so, Klänge zu unterscheiden und deren Richtung zu bestimmen. Beim Klang eines Vogels schauen die Kinder wie selbstverständlich herum und möchten den Ursprung des Zwitscherns finden. Sie lernen still und leise zu lauschen, um die Tiere nicht zu verschrecken und können im Moos liegend die entspannende Wirkung des Blätterraschelns erfahren.

 

Umwelterziehung/ Umwelt

Der Umwelt(-erziehung) kommt im Waldkindergarten ein besonderer Stellenwert zu. Die Natur stellt die tägliche Lebenswelt der Kinder in der KiTa dar. Mit all ihren Sinnen erleben die Kinder die Jahreszeiten. Sie erleben Naturvorgänge und Lebewesen ganz nah und unverfälscht. So können sie im Frühling das Erwachen der Natur miterleben: die ersten Knospen sprießen und die Tiere und Insekten kehren nach und nach aus ihrer Winterruhe zurück. Im Herbst erleben die Kinder, wie sich der Wald für seine Winterruhe bereit macht, die Bäume verfärben sich und werfen ihre Blätter ab. Mit dem Lauf der Jahreszeiten verändern sich der Geruch des Waldes, das Gefühl des Bodens unter den Füßen oder auch die Geräusche im Wald. Die Kinder können diese Veränderung hautnah erleben und beobachten.

Beim Spielen an den Waldplätzen stolpern die Kinder zwangsläufig immer wieder über neue Tiere und Pflanzen. Sie erkunden spielerisch deren Lebensräume und haben die Möglichkeit, sie im Stillen zu beobachten und zu begreifen, was die unterschiedlichen Lebewesen und Pflanzen zum Leben benötigen. Ganz nebenbei können die Kinder lernen, dass Pflanzen nicht im Überfluss existieren. Wer ein Blümchen ausreißt oder eine Beere von der Erdbeerpflanze nascht, muss feststellen, das am nächsten Tag nicht wieder eine neue Blume am Wegesrand steht und auch die Beeren am Strauch immer weniger werden. Sie können beobachten, wie wenig ein kleines Bäumchen in einem Kindergartenjahr wächst und daraus schlussfolgern, wie lange die dicke Eiche schon in diesem Wald stehen muss. Beim Sammeln und Auffüllen des Holzlagers wird für die Kinder greifbar, wie wertvoll das Holz des Waldes für unser Überleben ist. Wer es im Winter warm haben möchte, muss Holz sammeln und gleichzeitig darauf achten, das Gleichgewicht nicht zu stören, also nicht mehr Holz zu schlagen, als nachwachsen kann. Durch diese intensiven und naturnahen Erfahrungen können Kinder schneller und besser bergreifen, warum es wichtig ist, achtsam mit der Umwelt umzugehen. Nur so stehen allen Lebewesen ausreichend Ressourcen zur Verfügung.

Die Kinder erleben, wie begrenzt natürliche Ressourcen sind. Angefangen beim Wasser, das sie im Tagesverlauf nicht aus den Bächen schöpfen, sondern in Kanistern mit sich führen. Dieses Wasser muss man sich gut einteilen und kann es nicht einfach über den Waldboden fließen lassen, da sonst für die notwendigen Tätigkeiten kein Wasser mehr zur Verfügung wäre. Die Kinder werden angehalten, selbst Verantwortung zu übernehmen. Jeglicher Müll der produziert wird, wird zurück zur Schutzhütte gebracht.

 

Naturwissenschaft und Technik

Kindern als Entdecker und Forscher bietet der Waldkindergarten ideale Voraussetzungen. Durch die wenigen Spielzeuge, die zur Verfügung stehen, sind die Kinder gezwungen sich mit den Materialien auseinanderzusetzten, die im Wald zu finden sind. Die Kinder bauen und spielen mit dem, was sie gerade finden können. Dabei lernen sie die unterschiedlichen Eigenschaften der Materialien kennen. Beim Bau eines Bötchens können sie erforschen, was gut schwimmt und was vielleicht eher ungeeignet ist. Sie machen erste Erfahrungen mit unterschiedlichen Messgrößen. Beim Sammeln von Holz für Bauwerke können sie feststellen, dass nicht alle Äste gleichlang sind.

Im Verlauf eines Kindergartenjahres werden immer wieder dieselben Waldplätze aufgesucht, was dafür sorgt, dass die Kinder die Veränderung der Natur beobachten können: Was passiert im Herbst an der Stelle im Wald, an der nur Nadelbäume wachsen? Was passiert, wenn es schon längere Zeit nicht mehr geregnet hat? Die Kinder sind vertraut mit ihren Kindergartenräumen und bemerken aufmerksam, was vor sich geht.

Beim Bauen und Spielen im Wald kommen die Kinder zudem mit den Gesetzmäßigkeiten der Natur in Kontakt. Beim Heben schwerer Steine oder Äste können sie erleben, dass die von ihnen benötigte Kraft sinkt, wenn sie einen Hebel, z.B. einen anderen Ast nutzen. Im gleichen Zug lernen sie, Werkzeuge zu nutzen und adäquat mit ihnen umzugehen.

Zudem erfahren sie, dass Elektrizität nicht immer und überall zur Verfügung steht. Im Wald besteht nicht die Möglichkeit das Licht an- und abzuschalten. An der Schutzhütte kann den Kindern am Beispiel der genutzten Solarplatte die Gewinnung von Strom greifbar gemacht werden.

 

Gesundheit

Gesundheit umfasst nach dem heutigen Verständnis mehr als die Abwesenheit von Krankheitssymptomen. Es geht inzwischen vielmehr darum, die Bedingungen für ein gesundes Leben bzw. Gesundheit in den Blick zu nehmen. Kinder sollen befähigt werden, die eigene Gesundheit selbstbestimmt zu gestalten und zu stärken. Neben den rein körperlichen Aspekten fließen nun auch Aspekte der geistigen und seelischen Gesundheit mit ein.

Hauptprobleme der heutigen Zeit stellen Bewegungsmangel und eine falsche Ernährung dar. Im Waldkindergarten wird insbesondere der Bewegung ein hoher Stellenwert beigemessen. Die Kinder suchen täglich neue Ort auf, die nur zu Fuß zu erreichen sind. Sie können sich selbst in vielfältigen Bewegungsformen ausprobieren: beim Klettern im Wald, beim Balancieren über Baumstämme oder auch beim Verstecken unter Ästen und Büschen. Die Bewegung findet ganz natürlich und ohne künstlichen Rahmen statt. Dabei lernen die Kinder, sich selbst im Raum wahrzunehmen. Kraft, Ausdauer und die eigene Körperwahrnehmung werden geschult, die räumliche Wahrnehmung gefördert und Koordination, Gleichgewicht und Beweglichkeit geübt. So können sie die eigenen körperlichen Grenzen ausloten und lernen damit umzugehen. Sie erleben Empfindungen der An- und Entspannung. Bei einem längeren Weg durch den Wald spüren sie die muskuläre Anspannung und können nach der Ankunft die Entspannung beim gemeinsamen Ausruhen wahrnehmen. Diese Erfahrung geht über das rein körperliche Empfinden hinaus und bietet den Kindern erste Ideen, mit emotionaler Anspannung wie Stress, Wut und Frustration umzugehen.

Bewegung und frische Luft fördern bekannterweise den Hunger. Die Kinder können lernen, auf ihr Sättigungsgefühl zu hören: Mit zu vollen Mägen lässt es sich schlechter bewegen und die Bewegung wird deutlich anstrengender.

Hygienemaßnahmen stellen im Wald eine besondere Herausforderung dar, sind aber deshalb nicht minder wichtig. Das gründliche Händewaschen gehört im Waldkindergarten ebenso dazu, wie das Erlernen des Umgangs mit Zecken, giftigen Pflanzen, Unfällen und Verletzungen.

 

Bewegung, Rhythmik, (Tanz) und Sport

Bewegung gilt als grundlegende Form der Beschäftigung und als Ausdrucksform von Kindern. Im Waldkindergarten steht Bewegung ganz oben auf der Tagesordnung. Schon auf dem Weg zu den Waldplätzen haben die Kinder die Möglichkeit, sich auszutesten und neue Bewegungsformen zu erkunden: Die am Wegrand liegenden Bäume werden zum Balancieren genutzt, von denen man am Ende herunterspringen kann, große Steine und Baumstümpfe dienen als Klettergerüst und beim Verstecken kriechen die Kinder auch mal unter Büsche. Dadurch wird die Motorik auf natürliche Art und Weise gefördert. Die Kinder probieren sich täglich neu aus und haben die Chance, sich stetig zu steigern, aber auch eigene Grenzen zu erkunden und zu überwinden. So gelingt es den Kindern zunächst beim Sammeln des Feuerholzes nicht die großen Äste zu tragen, die vielleicht die älteren Kinder schon transportieren können, mit der Zeit fällt es ihnen zunehmend leichter.

Durch die vielen Bewegungsmöglichkeiten lernen die Kinder, den eigenen Körper besser zu spüren. Nur wer sich bewegt kann auch einschätzen, was er überhaupt kann und was nicht. So lernen Kinder im Waldkindergarten die eigene Leistungsfähigkeit realistisch einzuschätzen. Durch simples ausprobieren merken sie, was sie können und was nicht.

In der Bewegung liegt zudem eine Möglichkeit, das Selbstwertgefühl zu steigern und Selbstwirksamkeitserfahrungen zu sammeln. Je öfter die Kinder versuchen, den großen Baum am Waldplatz zu erklimmen, desto leichter wird es mit der Zeit. Anfänglich benötigen sie vielleicht Unterstützung durch andere oder müssen sich eine Erhöhung zur Hilfe nehmen, irgendwann schaffen sie es dann gänzlich ohne. Dadurch gewinnen sie an Sicherheit und erfahren, dass sie selbst alle notwendigen Fähigkeiten besitzen, um auf die Welt einwirken zu können.

Bewegen sich die Kinder in ihrer Gruppe mit den anderen, so entstehen Lernräume für Kooperation, Rücksichtnahme und Kommunikation.

Lernerfahrungen, die in Bewegung gemacht wurden, werden im Gehirn besser verankert als andere. Dementsprechend fördert Bewegung die kognitiven Fähigkeiten der Kinder. Ein Kind, das über Baumstämme balanciert, wird schnell merken, dass es sich voll darauf konzentrieren muss und nicht nebenbei noch überall herumschauen kann. Zudem wird die Problemlösefähigkeiten gefördert. Wie bei dem bereits erwähnten Kind, das versucht einen Baum zu erklimmen. Ohne Hilfsmittel gelingt es zunächst nicht, das Kind muss nach anderen Möglichkeiten suchen und wird sicherlich Ideen dazu entwickeln.

Letztlich ist Bewegung ein elementarer Baustein für die Gesundheit der Kinder. Im Wald können die Kinder ihren natürlichen Bewegungsdrang ausleben und steigern so ihr eigenes Wohlbefinden. Fast nebenbei stärken sie dadurch ihren Körper.

 

Mathematik

Mathematik und mathematische Denkweisen müssen anders als Sprache aktiv erlernt werden. Dabei spielen die sprachliche Benennung und das Bewerten der Erwachsenen eine besonders große Rolle.

Die Kinder verfügen über große Bewegungsfreiräume und ausreichend Zeit, diese Räume zu nutzen. So lernen sie ihren Körper und die Umgebung in Relation zu setzten und erfassen ihr Köperschema, was die Voraussetzung für räumliche Orientierung darstellt. Sie können zunehmend besser beschreiben, wo sie sich aufhalten: Aus einem „wir sind da“ verbunden mit einer zeigenden Hand wird ein „wir sind hinter dem Baum auf der anderen Seite“. Die Kinder begreifen zunehmend, wo ihre Waldplätze liegen und können deren Richtung bestimmen.

Im Spiel mit den Naturmaterialien lernen sie spielerisch, diese zu klassifizieren, zu vergleichen und sie zu ordnen. Der Baum ist größer und dicker als der Nachbarbaum, das eine Moos ist flauschig, das andere eher rau oder der flache runde Stein ist schwerer als der kleine eckige.

Durch das Leben mit den Jahreszeiten und dem klar strukturierten Tag sammeln die Kinder erste Erfahrungen mit Zeit, Monatsnamen und Wochentagen. Im Morgenkreis wird täglich besprochen, welcher Wochentag heute ist.

Außerdem ist das Zählen der Kinder eine tägliche Aufgabe im Morgenkreis. Damit werden das Mengenverständnis und Zählprinzipien geschult und es wird gleichzeitig herausgefunden, wie viele Kinder fehlen. Oft ergeben sich ganz natürlich Situationen, in denen Kinder zählen oder Dinge miteinander vergleichen. Im Rollenspiel werden fünf Stöckchen benötigt für eine fünfköpfige Familie, oder ein besonders kleiner Ast für das Baby. Ergänzend werden spezielle Angebote im mathematischen Bereich gemacht.

 

Informations- und Kommunikationstechniken, Medien

Das Konzept des Waldkindergartens stellt einen Gegenpol zur technisierten Welt dar. Kinder erleben kaum noch Lebensbereiche, in denen sie fernab von Medien sind. Das alltägliche Leben ist geprägt von Smartphone, Computer, Fernsehen und Radio. Im Waldkindergarten soll dieser Bereich deshalb bewusst ausgeklammert werden. Die Kinder lernen im häuslichen Umfeld und in der Schule damit umzugehen. Gegebenenfalls können zeitlich begrenzte Angebote für Kinder und Eltern durchgeführt werden.

Bücher oder Fotos sollen jedoch ein fester Bestandteil im Waldkindergarten sein.

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